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Insektenzucht: Kleine Tiere mit großem Potenzial

Insekten

Auf den ersten Blick sind sie unspektakulär: die Larven der Schwarzen Soldatenfliege. Doch auf ihr ruhen große Hoff-nungen in Sachen Nachhaltigkeit. Sie könnten regional Eiweiß für Hähnchen oder Schweine liefern und dafür viele wertvolle Reststoffe verwerten. Auf dem Betrieb gr. Macke in Essen i. O. ist die Produktion angelaufen. 

Clemens (r.) und Julius gr. Macke bekommen aktuell viel Besuch auf ihrem Betrieb, das Thema Insektenzucht stößt auf großes Interesse. Oft dabei: Max Pommerehne (l.) von der Firma FarmInsect. Foto: Christa Diekmann-Lenartz

Derzeit wird viel über die Insektenzucht berichtet. Es geht hierzulande in der Regel um die Schwarze Soldatenfliege. Sie ist ursprünglich in Südamerika beheimatet und sehr anpassungsfähig, benötigt aber viel Wärme. Die weibliche Fliege legt 450 bis 900 Eier und stirbt dann. Die Eier schlüpfen nach vier Tagen.

Die Larven der Schwarzen Soldatenfliege sind sehr eiweißreich und könnten etwa als Alternative zu Soja im Geflügel- oder Schweinefutter eingesetzt werden. Sojaimporte aus Übersee werden im Sinne von nachhaltiger Tierproduktion bekanntlich eher kritisch gesehen.

Insektenlarven sind Allesfresser

Ein wichtiger Pluspunkt: Die Insektenlarven sind wortwörtliche Allesfresser. Sie können sehr viele Reststoffe aus der Nahrungsmittelproduktion verwer-ten, die für andere Tierarten nicht so effektiv nutzbar sind. Einige Beispiele: Das Strohsubstrat, auf dem hierzulande Champignons gezüchtet werden oder Ausschuss von Saatgetreide oder Rübensaat, der bei Pflanzenzuchtunternehmen anfällt.

Theoretisch könnten auch Lebensmittelabfälle oder verdorbene/abgelaufene Lebensmittel verfüttert werden. Damit könnte man Lebensmittelver-schwendung reduzieren. Leider ist dies hierzulande rechtlich aktuell nur sehr begrenzt möglich. In anderen Ländern ist die Gesetzeslage anders. Ein weiteres Beispiel von gelungener Kreislaufwirtschaft mit Insekten: In Polen dient unter anderem Gülle als Futter für die Larven.

Pioniere der Insektenzucht

Reste aus der Kartoffelverarbeitung kommen auf dem Betrieb gr. Macke im Essener Ortsteil Addrup zum Einsatz. Landwirt Clemens gr. Macke und sein Sohn Julius sind Pioniere, was die Insektenzucht angeht. In ihrer Anlage ist die Produktion Anfang des Jahres angelaufen. Direkt nebenan hat der große Kartoffelverarbeiter Wernsing seinen Sitz – und beliefert seine Nachbarn nun mit Reststoffen.

Vor dem Bau ihrer jetzigen Anlage haben gr. Mackes sich schon ein paar Jahre mit der Schwarzen Soldatenfliege beschäftigt. Im Rahmen eines Projek-tes verfütterten sie die Larven direkt an die Bio-Legehennen ihres Betriebes. Bio-Legehennen halten gr. Mackes seit 25 Jahren. Ziel des Projektes war unter anderem, Gesundheit und Leistung der Hennen zu verbessern. Die Ergebnisse waren vielversprechend. Projektpartner war dabei das Deutsche Institut für Lebensmitteltechnik (DIL) aus Quakenbrück.

Eine automatische Flüssigfütterung verteilt den Futterbrei für die Insekten in Kisten. Foto: FarmInsect
Eine automatische Flüssigfütterung verteilt den Futterbrei für die Insekten in Kisten. Foto: FarmInsect

Noch viel Forschungsbedarf

Für die jetzige größere Anlage fungiert das DIL wieder als wissenschaftlicher Begleiter. Dort laufen verschiedene Master- und Doktorarbeiten zum Thema: „Es gibt noch sehr viel Forschungsbedarf bei dieser neuen Nutztierart“, sagt Clemens gr. Macke. Er sieht jedoch großes Potenzial, gerade auch für die Veredlungsregion Nord-West-Niedersachsen: „Nachhaltigkeit und Regionalität werden immer wichtiger. Zum Beispiel fragen die Hersteller von Heimtiernahrung heute bereits danach“, berichtet er. In diesen Sektor gehen die Insekten seines Betriebes derzeit.

Aber auch für seinen Nachbarn, den Kartoffelverarbeiter Wernsing, ist die Abgabe der Reststoffe nach „nebenan“ positiv für den CO2-Fußabdruck des Unternehmens. Dass das Interesse der Branche am Thema Insekten groß ist, merkt Familie gr. Macke auch an den Anfragen für eine Besichtigung. Es kommen nicht nur Landwirte, sondern ebenso Vertreter von Banken oder der Futtermittelwirtschaft.

Integrierte Produktion wird aufgebaut

Lieferant der Junglarven und Abnehmer der gemästeten Larven ist bei gr. Mackes die -noch junge- Firma FarmInsect. Sie hat ihren Sitz in Bayern. Die Junglarven werden im Alter von fünf Tagen geliefert und eine Woche später wieder abgenommen. Aus 24 Kilogramm Junglarven werden im kurzen Lebenszyklus 6 Tonnen Mastlarven. Gearbeitet wird mit einem Kistensystem. Die Kisten werden im Betrieb mit Futterbrei und den Junglarven befüllt und dann für eine Woche in die sogenannte Klimakammer geschoben. Dann sind sie fertiggemästet.

Mit der Insektenzucht befasst man sich heute weltweit. Während in anderen Ländern Produktionsketten mit großem Volumen in direkter Anbindung an Futtermittelhersteller oder Geflügel-Integrationen entstehen, ist der Ansatz bei gr. Mackes und FarmInsect ein anderer: Die Anlage kann auf landwirt-schaftlichen Betrieben eingebaut werden, es können dafür ggf. vorhandene Gebäude genutzt werden: „Das Gebäude muss allerdings eine Höhe von
4 m haben und isoliert sein. Nur dann kann außerhalb der Klimakammern die nötige Temperatur von 20 °C erreicht werden. In den Klimakammern selbst brauchen die Larven durchgängig 30 °C“, so Clemens gr. Macke.

Das Trennen der fertigen Larven vom Mist ist automatisiert. Foto: FarmInsect

Günstige Energie ein Muss

Für den hohen Energiebedarf der Insektenzucht ist es wünschenswert, günstige Energie zur Verfügung zu haben. Das könnte in Niedersachsen zum Beispiel die Abwärme von Biogasanlagen sein oder Eigenstrom von PV-Anlagen.

Einen Beitrag zur Wirtschaftlichkeit der Insektenzucht kann auch der übrigbleibende Mist der Larven, der sogenannte Fraß, leisten. In der Biogasanlage bringt er in etwa den Methanertrag von Mais. Doch FarmInsect und gr. Mackes sehen noch anderes Potenzial: Der lose Fraß könnte als Torfersatz oder in Form von Pellets als Dünger im Gartenbau genutzt werden. Torfwerke suchen zum Teil händeringend nach Ersatz nach Auslaufen von Torfabbbau-Genehmigungen.

Für Mischfutter fehlen noch Mengen

Wertschöpfungsketten wie in der Schweine- oder Geflügelproduktion gibt es natürlich noch nicht für Insekten, weiß Clemens gr. Macke. Sie müssen auf-gebaut werden. Ein wichtiger Punkt, damit sie als Eiweißträger für die Futtermittelproduktion in Frage kommen: „Dafür braucht es große Mengen“, sagt er. „Wir können damit sicher nicht den Großteil der Sojaimporte ersetzen. Aber für bestimmte Bereiche wie etwa Biofutter oder ein Starterfutter für Ferkel oder Küken könnten die Insekten schnell interessant werden.“

Da es bislang so gut wie kein Datenmaterial zu den Emissionen bei der Insektenproduktion gibt, ist die Baugenehmigungsfrage derzeit schwierig. Des-halb startet bei gr. Mackes in Kürze ein Projekt mit der LUFA Nord-West (Landwirtschaftliche Untersuchungs- und Forschungsanstalt), bei dem Emis-sionsmessungen durchgeführt werden sollen.

Ein schon genannter Kritikpunkt ist, dass es bei uns Gesetzesänderungen geben müsste, um mehr Reststoffe aus der Lebensmittelproduktion, aber eben auch aus dem Lebensmittelhandel, als Futter einsetzen zu können: „Das wäre im Sinne von Kreislaufwirtschaft und Verminderung von Lebens-mittelabfällen sehr wünschenswert“, sagt Clemens gr. Macke. Aber er weiß auch, dass politische Mühlen in Berlin oder Brüssel sehr langsam mahlen.