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Agrarfinanzierung: „Wir müssen auch über Nachhaltigkeit reden“

Als landwirtschaftlicher Unternehmer, der einen neuen Stall bauen oder eine Photovoltaikanlage installieren will, braucht man Finanzmittel. Banken schauen genau hin, bevor sie Kredite bewilligen. Das Thema Nachhaltigkeit wird dabei künftig eine größere Rolle spielen.

Christopher Braun, Deutsche Zentralgenossenschaftsbank (DZ) Foto: DZ
Christopher Braun, Deutsche Zentralgenossenschaftsbank (DZ) Foto: DZ

Wie kreditwürdig ein Investitionsvorhaben ist, wird von Banken anhand verschiedener Kriterien abgewogen. Das gilt für alle Wirtschaftsbereiche und damit auch für die Landwirtschaft. Das sogenannte Rating entscheidet dabei mit über die Höhe der Zinsen.

Etwa 50 Prozent aller Agrarkredite in Deutschland werden über eine der über 700 zur Genossenschaftlichen Finanzgruppe gehörenden Volks- und Raiffeisenbanken vergeben. Auch in Weser-Ems sind sie führend in der Agrarfinanzierung. Hier liegt der Anteil sogar noch etwas höher.

Für Investitionen in die Nachhaltigkeit sollten Landwirte stets einen Agrarberater kontaktieren. Foto: ELIJA/www.AdobeStock.com, generiert mit KI
Für Investitionen in die Nachhaltigkeit sollten Landwirte stets einen Agrarberater kontaktieren. Foto: ELIJA/AdobeStock generiert mit KI

Nachhaltigkeit spielt eine Rolle fürs Rating

Künftig wird beim Rating der Banken das Thema Nachhaltig-keit stärker mit beleuchtet werden. Warum das so ist und was das konkret für die Landwirtin oder den Landwirt beim Gang zur Kreditbank des Vertrauens bedeutet, erläutern die beiden Finanzexperten Rainer Herbers, Volks- und Raiffeisenbank in Südoldenburg, und Christopher Braun, DZ Bank.

Die bundesweit und international agierende DZ Bank (Deut-sche Zentral-Genossenschaftsbank) gehört den Volks- und Raiffeisenbanken in Deutschland. Christopher Braun verant-wortet dort den Agrarbereich. Rainer Herbers ist Mitglied des Vorstandes der Volks- und Raiffeisenbank in Südoldenburg eG. Er befasst sich dort mit dem Thema Nachhaltigkeit.

Christopher Braun: „Den Begriff Nachhaltigkeit lesen Sie heute jeden Tag irgendwo in Ihrer Tageszeitung oder Sie hören ihn jeden Tag in den Nach-richten – in verschiedensten Zusammenhängen. Die Forderung nach Nachhaltigkeit ist allgegenwärtig. Sie ist die Antwort auf den auch bei uns sichtbar werdenden Klimawandel, auf die zunehmende Ressourcenknappheit etwa bei Wasser. Sie ist aber auch die Antwort auf weltweit zunehmende soziale Ungleichheiten und steigende Armutsquoten.“

Wer heute einen neuen Stall bauen will, kann bei seinem Rating mit Nachhaltigkeit punkten. Foto: Christa Diekmann-Lenartz

Nachhaltigkeit soll unsere Zukunft sicher

Definiert ist Nachhaltigkeit als das Instrument, mit dem eine lebenswerte Zukunft und das Wohlergehen der nachfolgenden Generationen gesichert werden kann. Wie wird nun aber gemessen oder bewertet, wie nachhaltig ein Produkt oder ein Herstellungsprozess oder ein Unternehmen ist? Christopher Braun: „Dazu schaut man sich die drei Bereiche Umwelt (=Envirement), Soziales (Social) und Unternehmensführung (=Governance) an. Für diese drei Bereiche sind messbare Kriterien („ESG-Kriterien“) entwickelt worden. Verschiedene Organisationen in Deutschland befassen sich mit entsprechenden Nachhaltigkeits-Zertifizierungen. Im Agrarbereich macht das unter anderem die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft, DLG.“

„Je nachhaltiger der Betrieb, desto günstiger demnächst die Zinsen“

Treiber dafür, dass das Thema Nachhaltigkeit bei allen agrarwirtschaftlichen Aktivitäten künftig stärkeres Gewicht bekommen soll, ist auch die EU-Politik. Der „Green Deal“ besagt, dass die EU bis 2050 zum ersten klimaneutralen Wirtschaftsraum der Welt werden will. Erreicht werden soll dies unter anderem über eine Senkung der Treibhausgas-Emissionen, eine Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln oder die Umstellung auf ökologische Bewirtschaftung.

Konkrete EU-Vorgaben zur Nachhaltigkeit bald da

Nach Einschätzung von Christopher Braun wird die EU sich vermutlich bald mit konkreten Vorgaben befassen, wie Nachhaltigkeit im Agrarsektor zu messen und zu verbessern ist („EU-Taxonomie“). 

Banken sind jedoch schon heute zur Umsetzung des „Green Deals“ aufgefordert, nachhaltige Maßnahmen oder Projekte zu fördern – über ihre Kredit-vergabepraxis. In diesem Sinne verpflichtet die Bankenaufsicht die deutschen Geldinstitute, ab 2024 in ihrem Kreditgeschäft ESG-Risiken explizit zu beurteilen. „Das ist keine Empfehlung, sondern eine bindende Verwaltungsvorschrift für uns“, so Rainer Herbers. 

Wie wirkt sich das konkret bei einer geplanten Investition in der Landwirtschaft aus? Rainer Herbers weist darauf hin, dass die Agrarbranche generell kein besonders gutes Rating hat: „Es besteht immer ein Wetterrisiko, der viele Regen im vergangenen Herbst/Winter hat dafür gesorgt, dass zum Beispiel viele Zuckerrüben gar nicht geerntet werden konnten. Oder beim Aspekt Soziales: In der Landwirtschaft, speziell auch der Tierhaltung, fehlen oft geregelte Arbeitszeiten, nur Mindestlohn ist an vielen Stellen Standard. Ökonomisch gesehen sind viele Märkte sehr volatil im Agrarbereich.“

Das alles führt dazu, dass die Agrarbranche nur bei Note D landet im ESG-Risikoscore, der von A bis E reicht, D ist dabei die zweitschlechteste Note.

Rainer Herbers, Volks- und Raiffeisenbank in Südoldenburg Foto: Katharina Bahn
Rainer Herbers, Volks- und Raiffeisenbank in Südoldenburg Foto: Katharina Bahn

Nachhaltigkeit auch betriebsindividuell beurteilen

Als Landwirt mit Investitionsplänen kann man das schlechte Branchen-Rating betriebsindividuell zumindest um eine Note, bei ganz optimalen Gege-benheiten im Einzelfall eventuell um zwei Noten verbessern.

Bei den Volks- und Raiffeisenbanken ist für diese betriebsindividuelle Beurteilung ein umfangreicher Fragebogen entworfen worden. Rainer Herbers: „Dieser Fragebogen soll den Nachhaltigkeitsstatus unseres landwirtschaftlichen Kunden erfassen, der einen Kredit beantragen möchte.“ Je nach erziel-ten Punkten kann er sein (Agrar-)Rating damit verbessern.“ Der Bankfachmann nennt einige Beispiele für die Fragen:

  • *Hat Ihr Unternehmen eine Betriebsunterbrechungsversicherung?
  • *Wie hoch ist der Anteil Erneuerbaren Energien am Eigenverbrauch?
  • *Gibt es Maßnahmen zur Reduktion oder Optimierung des Energieverbrauchs?
  • *Gibt es Maßnahmen zur Reduzierung des Wasserverbrauchs?
  • *Nehmen Mitarbeitende regelmäßig an Weiterbildungen teil?
  • *Werden Tiere nach gesetzlichen Standards oder oberhalb dieser gehalten?
  • *Nehmen Sie an mindestens einer Flächenmaßnahme für Klima und Umwelt teil? 


D
ie Agrarberaterinnen und Agrarberater fangen aktuell an, den Fragebogen anzuwenden, wenn es um die Kreditvergabe in ihrem Bereich geht. „Will ein Betrieb zum Beispiel einen Hähnchenmaststall bauen, stattet ihn mit Wintergarten aus und beheizt ihn mit der eigenen Photovoltaik-Anlage, wird das mehr Punkte bringen als ein konventioneller geschlossener Stall mit Gas zur Beheizung.“

„Öko ist nicht per se immer am nachhaltigsten“

Ein Irrtum sei allerdings, dass Öko generell besser abschneide als konventionell: „Das ist wirklich von Fall zu Fall zu beurteilen. Ein Öko-Hähnchenmäster braucht zum Beispiel mehr Futter, weil die Futterverwertung nicht so gut ist oder braucht mehr Energie für den Stall, weil die Tiere länger gehalten werden.“

Wirtschaftlichkeit einer Investition bleibt Hauptkriterium

Der Agrarexperte lässt aber keinen Zweifel daran, dass bei einer Kreditvergabe aktuell und auch künftig die Wirtschaftlichkeit und die Kapitaldienst-fähigkeit die wichtigsten Kriterien eines Projektes bleiben werden: „Daran wird sich nichts ändern!“

Vor dem Hintergrund, dass Investitionsvorhaben in der Landwirtschaft heute schnell in einen siebenstelligen Bereich gehen, muss man ohnehin zwin-gend einen fachkundigen Berater an seiner Seite haben für eine detaillierte Invest-, Finanz- und Liquiditätsplanung, so Rainer Herbers. Er rät Landwirten darüber hinaus: „Lassen Sie sich unseren Fragenkatalog zum Thema Nachhaltigkeit geben und beschäftigen Sie sich zusammen mit Ihrem Berater auch damit.“

Das gelte umso mehr, als an einige landwirtschaftliche Betriebe das Thema Nachhaltigkeit ohnehin schon von anderer Seite herangetragen werde: Das sogenannte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz besagt, dass zum Beispiel Molkereien berichtspflichtig sind bezüglich ihrer Nachhaltigkeit. Ihre Liefe-ranten, sprich Milchvieh haltende Betriebe, müssen Informationen zur Nachhaltigkeit ihres Betriebes abgeben. Andere Bereiche der Landwirtschaft werden folgen. „Dem Thema Nachhaltigkeit wird sich auch die Landwirtschaft nicht entziehen können“, so das klare Statement von Rainer Herbers und Christopher Braun.