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„Daten des Landwirts bekommen künftig ein Preisschild“

Landwirte nutzen digitale Anwendungen zur betrieblichen Optimierung. Dabei fallen Unmengen an Daten an. Hiermit verbessern die Entwickler wiederum ihre Anwendungen. Doch solche Daten können auch für Dritte sehr interessant sein. Für eine solche Extra-Nutzung sollte der Landwirt seine Daten künftig mit einem Preisschild versehen können.

Helmut Voßmann, agmadata Foto: agmadata
Helmut Voßmann, agmadata Foto: agmadata

Daten haben heute einen hohen Wert. Das gilt für alle Branchen und für die Landwirtschaft. Dass das Bereitstellen von Daten künftig auch einen mone-tären Nutzen für die Landwirtin oder den Landwirt haben wird, davon ist Helmut Voßmann überzeugt. Sein Unternehmen mit Sitz in Garrel ist seit über 30 Jahren als digitaler Dienstleiter im Agrar- und Ernährungsbereich unterwegs.

Datennutzung heute nur begrenzte?

Er sagt: „Natürlich profitiert der Landwirt schon heute davon, dass digitale ‚Helfer‘ ihn in der Optimierung seiner betrieblichen Abläufe unterstützen. Dafür gehen Daten aus seinem Betrieb in der Regel aber nur an den jeweiligen Anbieter/Entwickler der Anwendung oder begrenzt an seinen Ver-markter, eine Behörde oder vielleicht noch an seinen Berater.“

Für Voßmann ist es aber keine Frage, dass es einen Zugang zu Daten und Austausch von Daten in deutlich größerem Umfang geben muss: „Wir brauchen Daten von vielen landwirtschaftlichen Betrieben, von vielen Zulieferern, von vielen Verarbeitern, von vielen Lebensmittelhändlern, in der Landwirtschaft auch öffentliche Wetter- und Geodaten. Darüber können wir unsere Branche zukunftsfähig machen und nachhaltiger aufstellen.“

Nachhaltigkeit heißt auch für ihn Einsparung von Ressourcen, also zum Beispiel weniger Wasser, weniger Dünger, weniger Pflanzenschutz, weniger Futter oder weniger Medikamente bei unseren Nutztieren. Einige Dauerdiskussionen der Landwirtschaft wie Antibiotika- oder Pestizideinsatz könnten
so deutlich entschärft und faktenbasierter gemacht werden.

Übergeordnete Datenräume sind nötig

Das Stichwort für die Datenorchestrierung und den -austausch über viele einzelne Beteiligte hinweg heißt „Datenraum“. Helmut Voßmann: „Daten speichern ist heute kein Problem mehr, das können Datengeber quasi unendlich. Die Herausforderung ist, Daten von Vielen übergreifend zu organi-sieren, zu orchestrieren und sinnvoll zu verknüpfen – in einem gemeinsamen Datenraum.“

Der Eigentümer der einzelnen Daten, also zum Beispiel Schweinemäster Peter Meier oder Getreideanbauer Paul Müller, müssen aber natürlich bereit sein, ihre Daten auch zu teilen. Der gelernte Tierwirtschaftsmeister Voßmann sieht diesbezüglich in Deutschland noch sehr viel Skepsis und Vorbehalte – keineswegs nur in der Landwirtschaft, sondern ebenso in anderen Branchen.

„Wir brauchen ein neues Denken über Daten“, sagt er. Bei der Entwicklung von übergeordneten Datenräumen stehe Deutschland noch ganz am Anfang, andere EU-Länder seien viel weiter. „Das Besondere bei Daten ist, dass sie, wenn sie geteilt werden, einen Mehrwert erzeugen. Dieses Bewusstsein fehlt hierzulande noch“, so die Einschätzung Voßmanns.

Viele Daten von zum Beispiel Landwirten, Wetterdienst, Pflanzenzuchtunternehmen machen – zusammen aufbereitet – Produktionsentscheidungen für den Einzelnen sicherer. Foto: sam richter/www.AdobeStock.com
Viele Daten von zum Beispiel Landwirten, Wetterdienst, Pflanzenzuchtunternehmen machen – zusammen aufbereitet – Produktionsentscheidungen für den Einzelnen sicherer. Foto: sam richter/AdobeStock

„Der Zugriff auf Daten wird – auch heruntergebrochen auf den einzelnen landwirtschaftlichen Betrieb – dazu beitragen, nachhaltiger und wettbewerbsfähiger zu werden.“

Datensouveränität beim Landwirt

Die logische Konsequenz für ihn ist, dass der ursprüngliche Eigentümer der Daten, also der Landwirt, Geld dafür bekommen sollte, dass er seine Daten freigibt. Das kann zum Beispiel Schweinemäster Peter Meier sein, dessen Leistungsdaten aus dem Stall das Schweinezuchtunternehmen oder der Futterlieferant haben möchten.

Oder das kann Getreideanbauer Paul Müller sein, dessen Produktions- oder Ertragsdaten für den Düngemittelhersteller oder den Pflanzenzüchter interessant sind. Peter Meier und Paul Müller behalten die Datensouveränität, sprich, sie können entscheiden, welche ihrer Daten in dem Datenraum angeboten werden sollen, bzw. wer in einer gegenseitigen Verbindung darauf zugreifen kann. „Ohne glaubhafte Datensouveränität wird ein solches System nicht funktionieren“, sagt der Garreler Unternehmer, der für gegenseitige digitale Verträge zwischen Datennehmern und -gebern plädiert.

„Data Act“ der EU setzt Spielregeln

Zumindest von rechtlicher Seite hat die EU mit ihrem „Data Act“ Regelungen für das faire Teilen und Nutzen in Datenräumen entwickelt. In Kraft getreten ist er Anfang diesen Jahres. Enthalten sind auch Regelungen zum Datenschutz. Diese sind für personenbezogene Daten sehr viel weiterreichender als für sachbezogene Daten.

Auch in Wirtschaft und Verwaltung macht man sich Gedanken, wie künftig mit Daten umgegangen werden soll. So ist Helmut Voßmann mit seinem Unternehmen agmadata Mitglied in der „International Data Spaces Association“. 173 Unternehmen, Organisationen und Wissenschaftseinrichtungen aus 31 Ländern und verschiedenen Branchen weltweit arbeiten hier daran, die Fundamente und Spielregeln für Datenräume zu erarbeiten. Seit 2016 ist Voßmann Ansprechpartner der Domäne „Landwirtschaft und Ernährung“. Diese Arbeit floss mit ein in den „Data Act“ der EU.

Auf europäischer Ebene ist „Gaia-X“ ein Projekt zum Aufbau einer leistungsfähigen, sicheren und vertrauenswürdigen Dateninfrastruktur für Europa. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat zusammen mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz die Projekt-Patenschaft für die Domäne Agrar bei „Gaia-X“ („Agri-Gaia“) übernommen, mit einer Laufzeit von drei Jahren und einer Fördersumme von rund
12 Mio. Euro. Im Pflanzenbau zum Beispiel verlangt bereits der herstellerübergreifende Austausch von Maschinendaten große Anstrengungen zur Standar-disierung. „Agri-Gaia“ ist unter anderem hierfür als Infrastruktur gedacht.

Für Investitionen in die Nachhaltigkeit sollten Landwirte stets einen Agrarberater kontaktieren. Foto: ELIJA/AdobeStock, generiert mit KI

Viele Datenräume nebeneinander

Klar ist, dass es auch künftig nicht nur DEN einen Datenraum geben kann, sondern viele verschiedene Datenräume neben-einander – für die Milchproduktion, für den Kartoffelanbau oder für die Schweinefleischerzeugung. Langfristiges Ziel soll sein, dass diese Datenräume wiederum miteinander kom-munizieren und sich auch austauschen können.

Ein Datenraum bietet Chancen für neue Wertschöpfung und Innovationen. Firmen oder Start-Ups können dort Daten ‚aus-

leihen‘. Dafür bezahlen sie (den Landwirt als „Besitzer“ der Daten) und können diese für einen definierten Zeitraum für neue Anwendungen nutzen. Von neuen Anwendungen kann wiederum der einzelne landwirtschaftliche Betrieb profitieren.

„Man braucht ausreichend hochqualitative Daten, um zum Beispiel KI-Anwendungen entwickeln zu können.“

Viele Daten machen Produktionsentscheidungen sicherer

Ein Beispiel aus dem Ackerbau: Nutzt Paul Müller nur seine Betriebsdaten, kann er seine Produktion über die Jahre sicher optimieren. Kann er aber die Daten von vielen Berufskollegen mit ähnlichen Bodenverhältnissen, ähnlichen Klimabedingungen oder ähnlichen Düngestrategien nutzen (in aufbe-reiteter Form), wird sein Fortschritt vermutlich größer sein, seine Entscheidungen werden sicherer.

Ein direkter Nutzen: Liegen seine Daten zentral aufbereitet vor, muss er sie nicht doppelt oder dreifach irgendwo eingeben. Düngebedarfsermittlung, Ackerschlagkartei und Dokumentation laut Düngeverordnung könnten zum Beispiel automatisiert verknüpft werden. Gleiches gilt etwa bei Antragstel-lungen für Förderungen.

Helmut Voßmanns Bestreben ist, einen übergeordneten Datenraum mit einer offenen und breiten Teilnehmerschaft für Tierproduktion/ Viehvermark-tung aufzubauen – also für den Sektor, in dem er mit seinem Unternehmen zuhause ist. Dort könnten zunächst Tier- und Antibiotikameldungen, Dokumentationen, Bestandsmanagement, Transportlogistik etc. abgebildet werden.

Des Weiteren wären auch überbetriebliche Leistungsvergleiche oder Betriebsmittel-Beschaffung dort organisierbar. Für Voßmann ist klar, dass ein solcher Datenraum stufenübergreifend arbeiten muss, also eine Form von Integration voraussetzt: „Da müssen alle Beteiligten der Wertschöpfungs-ketten dabei sein. Letztlich muss aber eben auch jeder einzelne Prozessteilnehmer daraus Wertschöpfung generieren können und einen direkten Nutzen davon haben.“