Vor ein paar Monaten ging das Herkunftskennzeichen „Gutes aus Deutscher Landwirtschaft“, kurz „5xD“, an den Start. Handel und Landwirtschaft haben es gemeinsam ins Leben gerufen. Der bewusste Kauf heimischer Produkte soll damit erleichtert werden – wichtig auch für hiesige Legehennenhalter.
„Die Kostenführerschaft haben wir in Deutschland schon lange verloren“, sagt Tobias Ferling, Geschäftsführer von Lohmann Deutschland. Das gilt seines Erachtens nicht nur für den Eierbereich, sondern ebenso für die Geflügel- oder Schweinefleischproduktion. Lohmann Deutschland mit Hauptsitz in Ankum im Nordkreis Osnabrück ist Deutschlands führender Vermehrungsbetrieb für Legehennen.
„Eine Chance für die hiesige Tierhaltung besteht nur darin, mit den sehr hohen Standards bei Tierwohl oder auch beim Arbeits- oder Umweltschutz zu punkten“, ist Tobias Ferling sicher. Diese Einschätzung teilt er mit Branchenverbänden der Landwirtschaft, aber ebenso mit dem Lebensmittelhandel. Hier setzt die neue Herkunftskennzeichnung „5xD“ an.
Ursprung sind die Bauernproteste
Zur Vorgeschichte: Als Folge der Bauernproteste vor den Zentrallagern des Lebensmittelhandels wurde 2021 die Zentrale Koordination Handel-Land-wirtschaft e.V. (ZKHL) gegründet. Mitglieder sind Organisationen des Handels und der Landwirtschaft. Ziel sollte es sein, die Zusammenarbeit in der Produktionskette zu verbessern und die Zukunft der deutschen Landwirtschaft durch eine bessere Wahrnehmung heimischer Produkte im Handel zu sichern.
Hierfür wurde das Herkunftskennzeichen „Gutes aus Deutscher Landwirtschaft“ kreiert. Die führenden deutschen Handelsunternehmen Aldi Nord, Aldi Süd, Edeka, Kaufland sowie Lidl und Rewe Group haben sich zur Nutzung verpflichtet.
„5xD“ soll zunächst für Schweine-, Rind- und Geflügelfleisch, Obst, Gemüse, Kartoffeln, Milch sowie frische Eier eingeführt werden. Alles muss dabei vollständig in Deutschland produziert sein – vom Anbau bzw. der Geburt, bei Geflügelfleisch von den Zuchttieren an, für Eier sind die Produktions-schritte Brüterei, Junghennenaufzucht, Legehennenhaltung, Futter und Packstelle verpflichtend und lückenlos in Deutschland nachzuweisen.
„Regionale Herkunft ist heute vielen wichtig“
August Brunkhorst ist lange im „Eiergeschäft“. Der 69-jährige hält auf seinem Betrieb in Abbenhausen bei Twistringen, Landkreis Diepholz, seit über 30 Jahren Legehennen. Schon 1993 stieg er dabei auf Biohaltung um, zu einer Zeit, in der im Oldenburger Münsterland große Legehennen-Farmen mit Käfighaltung das Bild der Branche bestimmten.
Selbständiger Berater
Seit dem Jahr 2000 berät August Brunkhorst als selbständiger Berater auch Berufskolleginnen und Berufskollegen. Nach dem Verbot der Käfighaltung sind viele landwirtschaftliche Betriebe neu eingestiegen in die Boden-, Freiland- oder Biohaltung. Brunkhorst hat seinen Stall mit knapp 2.000 Legehennen auch immer als Versuchsstall genutzt. Hier probierte er verschiedene Herkünfte, unterschiedliches Futter oder sonst neue Dinge aus. Die dort gewonnenen Erkenntnisse fließen in seine Beratung.
Was waren wichtige „Meilensteine“ bei der Legehennenhaltung? Brunkhorst nennt als Erstes den Verzicht auf das Kürzen der Schnabelspitze. Das wurde zuvor gemacht, um gegenseitiges Verletzen zu verhindern: „Wir Biobetriebe mussten das als Erste umsetzen, bei den konventionellen Haltungen war Niedersachsen 2017 Vorreiter, bevor es später EU-weit verboten wurde. „Das Halten der Tiere mit intaktem Schnabel war absolutes Neuland“, erinnert sich Brunkhorst. Das Management war auf einmal ein anderes, Beschäftigungsmaterial verschiedenster Art kam in die Ställe, damit die Tiere nicht aus Langeweile anfingen, sich zu bepicken. Lichtprogramme wurden entworfen. „Die Haltung der Tiere wurde viel stärker danach ausgerichtet, dass sie sich wohlfühlten“, so Brunkhorst.
Viel längere Lebensdauer
Als er anfing mit der Eierproduktion, konnten die meisten Herden mit braunen Hennen nur etwa 70 Wochen gehalten werden, sie legten etwa 250 Eier in dieser Zeit. „Heute haben wir deutlich langlebigere Tiere, bei den weißen Herkünften sind es inzwischen über 100 Wochen, die ‚magische‘ Grenze von 500 Eiern je Tier wird heute immer öfter erreicht“, weiß der Fachmann.
Dazu beigetragen hat seines Erachtens, dass die heutigen Tiere robuster sind und -sehr wichtig- der Aufzucht sehr viel mehr Beachtung geschenkt wird: „Eine gut aufgezogene Junghenne kann deutlich länger als ein Jahr Eier legen. Heute tauschen sich Aufzucht- und Legebetrieb viel mehr aus, Informationen zum Futter, zum Management oder zu eventuellen Erkrankungen werden weitergegeben, das erleichtert den Wechsel vom Aufzucht- zum Legebetrieb für die Tiere enorm. Sie haben keinen Stress mehr“, so Brunkhorst.
Gute tierärztliche Begleitung
Ganz wichtig ist für ihn dabei die gute tierärztliche Begleitung vom Schlupf bis zur Ausstallung der Herde. Dass die Tiere heute länger gehalten werden können, trägt zu einer besseren Wirtschaftlichkeit bei: „Es müssen nicht so oft neue Junghennen gekauft werden“, erklärt der Berater.
Die Eier seiner Hühner werden über einen Hofladen im Nachbarort vermarktet. Seiner Einschätzung nach hat die Direktvermarktung gerade bei Eiern deutlich zugenommen in den vergangenen Jahren, einen Schub gab es besonders durch die vielen Mobilstallhaltungen, die entstanden sind, aber auch durch die Corona-Krise: „Der regionale Bezug, dass die Kunden die Tiere auf der Weide sehen, ist Vielen wichtig. Diese Kunden sind bereit, mehr Geld für Eier auszugeben.“ Das ist allerdings auch notwendig. Die Futterkosten sind stark gestiegen, und vor allem ist die Produktion hierzulande durch das deutsche Verbot des Kükentötens deutlich teurer geworden: „Der Alleingang Deutschlands hat seinen Preis.“
Erste gelabelte Produkte im Handel
„5xD“ ist ein freiwilliges Kennzeichen. Wer es nutzen will, schließt einen Lizenzvertrag mit der ZKHL. Unabhängige Prüfsysteme wie „QS – Qualität und Sicherheit“, übernehmen die Zertifizierung und die Kontrollen. Die ersten gelabelten Produkte sind inzwischen in den Filialen des Lebensmittelhandels zu finden.
Dies gilt aktuell noch nicht für Eier. Tobias Ferling: „Bei Eiern beinhaltet ‚5xD‘, dass auch Schlupf und der vollständige Brutprozess inkl. der Geschlechts-bestimmung im Brutei und Junghennenaufzucht in Deutschland stattfinden müssen. Hierfür gibt es jedoch eine Übergangszeit bis Anfang 2026. Damit berücksichtigt man, dass heute Tiere in den Betrieben stehen, die als Küken oder Junghennen auch aus Nachbarländern wie den Niederlanden gekommen sind.“
Massive Wettbewerbsnachteile in Deutschland
Lohmann Deutschland hat sich massiv mit dafür eingesetzt, dass „5xD“ umgesetzt wird. Der Hintergrund: Deutschland ist Vorreiter beim Verbot, die männlichen Eintagsküken von Legerassen zu töten. Seit Anfang 2022 gilt dieses Verbot. In anderen EU-Ländern ist es weiterhin erlaubt. In Deutschland haben sich drei Alternativen etabliert – allem voran die Geschlechtsbestimmung im Brutei. Dabei wird das Geschlecht des Embryos im Brutei erkannt und männliche Bruteier werden erst gar nicht ausgebrütet.
Die beiden anderen Alternativen: Ein Teil der männlichen Küken wird auch aufgezogen und gemästet („Bruderhähne“) oder es werden sogenannte Zweinutzungsrassen eingesetzt, bei denen die männlichen Tiere als Hähnchen gemästet und die weiblichen Tiere als Legehennen genutzt werden. Besonders die Bruderhahnaufzucht wird kritisch diskutiert wegen der mangelnden Nachhaltigkeit. Die Bruderhähne brauchen wesentlich mehr Futter und Zeit, bis sie ein annehmbares Gewicht erreicht haben. Zudem ist die Vermarktung schwierig.
Auf jeden Fall haben die deutschen Brütereien durch den politischen Alleingang Deutschlands beim Verbot des Kükentötens einen enormen Wettbe-werbsnachteil. Auch wenn mittlerweile andere europäische Länder, wie zum Beispiel Frankreich, nachgezogen haben, ist die Umsetzung in Deutschland ungleich schärfer. Die Geschlechtssortierung im Brutei sowie Bruderhahnaufzucht sind mit sehr hohen Zusatzkosten verbunden und belasten jede in Deutschland erzeugte Junghenne kostenmäßig erheblich. Das hat sich drastisch ausgewirkt: „Vor zehn Jahren gab es noch 21 Legehennen-Brütereien in Deutschland, jetzt sind es nur noch acht“, sagt Tobias Ferling.
Legehennenhalter in Deutschland können sich nämlich auch mit Junghennen aus dem benachbarten Ausland versorgen, wo es kein Kükentötungs-Verbot gibt und die Junghennen folglich günstiger sind. Der Geschäftsführer von Lohmann Deutschland hofft jetzt stark darauf, dass sich das Label „Gutes aus Deutscher Landwirtschaft“ zumindest auch bei den Eiern durchsetzt, die Verbraucherinnen und Verbraucher im Supermarkt oder beim Discounter kaufen: „Wir haben einen Selbstversorgungsgrad von nicht ganz 80 Prozent. Die Eier, die im Lebensmitteleinzelhandel gekauft werden, könnten wir locker aus deutscher Produktion liefern.“
Umsetzung in der Eierproduktionskette läuft an
Erste Nachfragen nach „5xD“-Eiern aus dem Lebensmittelhandel gibt es bereits, so Ferling. Er sieht den Handel aber auch in der Pflicht, mitzuziehen: „Die Forderung nach dem Verbot des Kükentötens kam schließlich auch vom Markt. Es kann nicht sein, dass das Verbot in Deutschland umgesetzt ist, aber weiter Eintagsküken oder Junghennen importiert werden können, bei denen dieses Verbot nicht gilt und die günstigeren Eier dieser Hennen weiterhin bei uns verkauft werden.“
Das ZKHL will ihr neues Kennzeichen „Gutes aus Deutscher Landwirtschaft“ auf jeden Fall auch aktiv durch Werbung und Verbraucheransprache breiter bekannt machen. „Perspektivisch“ soll es auf Convenience-Produkte sowie weitere Nutzerkreise (Gastronomie und Großverbraucher) ausgedehnt werden. „Das wäre für die hiesige Branche sehr zu begrüßen“, so Tobias Ferling.