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„Es gibt keinen Arbeitstag mehr ohne KI“

Bei der Zerlegung der Schweinehälften entstehen mehrere hundert unterschiedliche Fleischartikel, KI kann sie zuverlässig erkennen und unterscheiden. Foto: Timo Lutz

Im mittelständischen Familienunternehmen Brand Qualitätsfleisch werden wöchentlich 15.000 Schweine geschlachtet und teils zerlegt. Künstliche Intelligenz (KI) unterstützt bereits diesen Prozess und könnte zukünftig ebenso zur Optimierung der Tiergesundheit beitragen.

Brand Qualitätsfleisch wird in vierter Generation von Niko Brand geführt. Foto: Timo Lutz
Brand Qualitätsfleisch wird in vierter Generation von Niko Brand geführt. Foto: Timo Lutz

Brand Qualitätsfleisch mit Sitz in Lohne im Südkreis Vechta, ist ein Familienunternehmen, das heute in vierter Generation von Niko Brand geführt wird. 340 Mitarbeiter sorgen dafür, dass wöchentlich rund 15.000 Schweine aus der Region hier geschlachtet und anschließend zerlegt werden können. Die Zahl der Schlachtungen ist über die vergangenen Jahre konstant geblieben.

Geändert hat sich in dieser Zeit jedoch das Sortiment: Niko Brand konzentriert sich auf die Nischen-Vermarktung für Schweine. Hierunter fallen die Hal-tungsstufen 3 und 4 nach den aktuellen Standards des Lebensmittelhandels, die Offenstall-Haltung, die Aktivstallhaltung sowie weitere hochwertige Programme.

Aktuell liegt der Anteil von Tieren aus höheren Haltungsstufen wie Offenställen oder Bio-Produktion bei etwa einem Drittel

Künstliche Intelligenz im Einsatz

Im Lohner Betrieb, der mit drei Zerlegelinien arbeitet, hat Künstliche Intelligenz längst Einzug gehalten. Seit 2020 arbeitet Niko Brand mit seinem IT-Dienstleister aus dem benachbarten Quakenbrück daran, Unterstützungssysteme an verschiedenen Stellen des Produktionsablaufs zu integrieren. Grundlage ist jeweils eine bilderkennende KI.

Bei der Zerlegung der Schweinehälften entstehen mehrere hundert unterschiedliche Fleischartikel. Vor Einsatz der KI war es üblich, dass Mitarbeitende die zerlegten Teilstücke (zum Beispiel Nacken oder Eisbeinfleisch) am Ende der Linie manuell identifizierten und etikettierten.

 „Damit KI diese Fleischartikel zuverlässig erkennen und unterscheiden kann, mussten zunächst unzählige Fotos der Artikel gemacht werden. Das war sehr zeitaufwändig“, erläutert Brand.

„Wir beobachten viele KI-Themen, implemetieren und probieren aus im Schlachthof, in der Kette, in der Verwaltung.“

Routinearbeiten werden von KI übernommen

Im Rahmen des Trainings wurde das KI-System angelernt, quasi ein „Learning by doing“. Aktuell wird die KI-Unterstützung bei einer der drei Zerlege-linien angewendet. Am Ende der Zerlegung erkennt das System sekundenschnell zuverlässig den Inhalt der Kiste.

Die Mitarbeitenden bestätigen nur noch das Etikett und kleben es auf die Kiste.  Dieses Verfahren erleichtert nicht nur die Arbeitsprozesse der Mitar-beitenden, sondern steigert zudem die Effizienz des Produktionsprozesses.  

Auch im Bereich der Kistenwäsche wird zukünftig der Einsatz von KI implementiert. Mithilfe intelligenter Kameratechnik soll zuverlässig und schnell erkannt werden, ob die benutzten Kisten nach dem Waschen sauber sind und zurück in den Produktionskreislauf können.

Brand Qualitätsfleisch: Der Schlachthof in Kürze

Der Anteil an Schweinen aus besonderen (Tierwohl-)Programmen inklusive Bio liegt bei Brand Qualitätsfleisch aktuell bei einem guten Drittel. Die Tendenz in diesem Segment ist – trotz Inflation und allgemeinem Rückgang des Schweinefleischverzehrs – steigend: „Das ist ein kleiner, aber auch ein wachsender Markt“, sagt der Firmenchef. Im Biobereich gehört Brand in Deutschland zu den großen Vermarktern – auch wenn die Mengen im Vergleich zum konventionellen Markt verhältnismäßig klein sind.

In Lohne werden neben Tieren aus konventionellen und EU-Bio-zertifizierten Betrieben auch Naturland- oder Bioland-Schweine geschlachtet. Brands Zielmarke sind 1.000 Verbands-Bioschweine pro Woche: „Es bringt aber nichts, den Anteil von Schweinen aus höheren Haltungsstufen ‚mit Gewalt‘ erhöhen zu wollen. Das kann nur schrittweise gehen, so, wie der Markt es hergibt“, ist seine klare Meinung hierzu. Er hofft sehr, dass die staatliche Haltungskennzeichnung, die zunächst nur für den Schweinebereich gilt, hier noch einen Schub in Richtung höhere Haltungsstufen bringt: „Aber wir müssen abwarten, wie sich die Nachfrage wirklich entwickelt.“

An verschiedenen Stellen wird experimentiert

An anderen Stellen auf dem Schlachthof befindet sich die KI-Unterstützung noch im Test: „Wir haben zum Beispiel im Wartebereich, wo die Schweine nach der Anlieferung zur Ruhe kommen, Kameras installiert. Abweichendes Verhalten soll hierüber erkannt werden“, erzählt Niko Brand.

Ein kritischer Bereich am Schlachthof ist das Betäuben der Tiere: „Hier müssen wir am meisten hinschauen. Eine intelligente Kamera erkennt, wenn sich ein Tier nach dem Betäuben noch bewegt oder ob zwischen Betäuben und Entbluten die vorgeschriebene Zeit eingehalten wird“, so der Unternehmer. Die Fast-Food-Kette McDonalds zum Beispiel verlange das Aufzeichnen des kompletten Schlachtprozesses. Bislang müssen die erstellten Videos zeit-aufwändig von Mitarbeitenden zur Kontrolle angeschaut werden. KI wäre hier sehr hilfreich.

„KI schafft keine Arbeitsplätze ab, wird sie aber verändern. KI unterstützt bei der wachsenden Komplexität der Arbeit.“

Bei der Zerlegung der Schweinehälften entstehen mehrere hundert unterschiedliche Fleischartikel, KI kann sie zuverlässig erkennen und unterscheiden. Foto: Timo Lutz
Bei der Zerlegung der Schweinehälften entstehen mehrere hundert unterschiedliche Fleischartikel, KI kann sie zuverlässig erkennen und unterscheiden. Foto: Timo Lutz

„Wir brauchen auch bei uns im Unternehmen junge Leute, die die Verbindung zwischen IT und Schweineproduktion haben“.

Tiergesundheit mithilfe von KI verbessern

Niko Brand nennt ein weiteres großes Thema, bei dem KI viel Routine-Arbeit übernehmen könnte: „Tiergesundheit spielt bei uns eine zentrale Rolle. Wir melden den liefernden Landwirten zurück, ob es bei ihren Tieren zum Beispiel Organveränderungen gab. Veränderungen an der Lunge etwa sind ein Hinweis auf Atemwegsprobleme. Ursache kann ein nicht optimales Stallklima sein. Bekommt der Landwirt so eine Rückmeldung, kann er Maßnahmen ergreifen, das Stallklima zu verbessern.“ Das Tiergesundheits-Monitoring ließe sich mithilfe von KI deutlich vereinfachen. Zudem bekämen der Hoftier-arzt und Landwirt die Informationen viel schneller und könnten somit schneller reagieren.

Laut Brand gibt es viele spannende Projekte im Bereich KI und Digitalisierung. Sein Schlachthof ist beispielsweise beteiligt an einem Projekt, welches die Einzeltierdatenerfassung von Schweinen mittels einer Transponderohrmarke möglich macht. Alle tierbezogenen Daten, wie zum Beispiel Herkunft oder Medikamentengaben sind in der Transponderohrmarke hinterlegt und werden am Schlachthof automatisch erfasst und an den Landwirt übermit-telt. Diese vielen Informationen zu jedem Einzeltier eröffnen verschiedenste Möglichkeiten für Auswertungen.

Könnte Brand schon vor der Schlachtung auf diese Daten zugreifen, böte das weitere Möglichkeiten zur Optimierung der Produktionsströme, beispiels-weise im Rahmen einer effizienteren Anlieferung der Tiere.  „Ich kann mir vorstellen, dass so eingebundene Mäster einen Bonus pro Tier bekämen“, so Niko Brand.