Die hiesige Schweineproduktion steht unter Veränderungs-druck. Mehr Tierwohl, mehr Beschäftigung, weniger Emissionen sollen es sein. Doch wie kann man das alles zusammenbrin-gen? Der Forschungsstall „Havito“ in Dinklage-Höne sucht Antworten – auch für Betriebe der Region.
„Wir brauchen weiter landwirtschaftliche Familienbetriebe.“ Das sagte Heiner Bröring, Geschäftsführer der Bröring Gruppe, vor drei Jahren beim symbolischen ersten Spatenstich für den Forschungsstall „Havito“. „Havito“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der Bröring Gruppe, Dinklage, und der Big Dutchman AG, Vechta.
5 Mio. Euro Investitionssumme
Die Idee des 5 Mio. Euro-Projektes: Es soll ein tierfreundlicher und nachhaltiger Schweinestall entwickelt werden, der die Erfordernisse der Zukunft erfüllt und somit auch Betrieben in der Region eine Perspektive bietet. Insofern darf der Forschungsstall, in den Mitte vergangenen Jahres die ersten Jungsauen eingezogen sind, auch als Bekenntnis zur Veredlungsregion Nordwest-Niedersachsen verstanden werden.
Big Dutchman-Mitarbeiter Ansgar Aundrup ist Systemmanager für den Bereich Schwein. Er begleitet den Betrieb des Forschungsstalles seit dem ver-gangenen Sommer und erläutert die Idee: „Wir produzieren bei Big Dutchman Technik für alle Bereiche der Schweineproduktion. Das beinhaltet unter anderem Stalleinrichtungen, Fütterungs-, Klima- und Lüftungstechnik. Dazu haben wir viele innovative Details und Lösungen -und auch Ideen. Im „Havito“-Stall finden sich solche Innovationen, wir können sie dort im Praxisbetrieb testen und weiterentwickeln.“
„In gut zehn Jahren muss Sauen noch mehr Platz zur Verfügung stehen, das setzen wir bei ‚Havito‘ schon um.“
Ansgar Aundrup
Ferkel werden nicht umgestallt
Stefan Harpenau, Betriebs- und Versuchsleiter Havito Research GmbH, erklärt: „‘Havito‘ bietet Platz für alle drei Produktionsstufen: Sauenhaltung, Ferkelaufzucht und Schweinemast. Das Besondere ist, dass diese drei Bereiche hier nicht voneinander getrennt sind, wie ansonsten üblich.“ Im Birth-to-Finish-Stallbereich (BTF=Geburt bis Ende der Mast) bleiben die neugeborenen Ferkel ihr gesamtes Leben bis zum Ende der Mast in der gleichen Bucht, nur zusammen mit ihren Wurfgeschwistern. Im „Havito“-Stall ist dort Platz für 24 Sauen und ihren Nachwuchs. Die Mütter verlassen die Bucht nach der Säugezeit und kommen in das Stallabteil für die abgesetzten bzw. tragenden Sauen.
Im zweiten Stallteil „Birth to Rear“ (BTR=Geburt bis Ende Aufzucht) bleiben die Ferkel nur bis zum Ende der Aufzucht mit ihren Geschwistern zusam-men. Hier stehen 40 Buchten zur Verfügung. Durch den Verbleib in ihrer festen Gruppe haben die Ferkel weniger Stress, sie brauchen nicht umgestallt zu werden und sich nicht an andere Tiere gewöhnen. Die Schweine im „Havito“-Stall haben mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben.
„Wenn wir die Lamellen öffnen, haben wir einen Außenklimastall.“
Ansgar Aundrup
Sehr gute Leistungen im neuen Stall
„Dass es eine gute Idee ist, die Tiere mit ihren Geschwistern zusammenzulassen, zeigen die guten Zunahmeleistungen in Aufzucht und Mast, die sich abzeichnen“, sagt Ansgar Aundrup.
Eine weitere Besonderheit: „Havito“ kommt ganz ohne die üblichen Spaltenböden aus, es gibt planbefestigte Böden. Die Buchten sind dreigeteilt, wie man es aus Außenklimaställen kennt: Im hinteren Bereich der Bucht ist der Ruhebereich, der eingestreut ist. In der Mitte befindet sich der Aktivitäts-bereich mit Futter und der Möglichkeit, organisches Beschäftigungsmaterial auf dem Boden anzubieten. So können die Tiere ihr natürliches Wühlver-halten ausleben. Im vorderen Bereich ist die „Schweinetoilette“. Sie besteht aus einem perforierten Förderband, der Urin der Tiere läuft ab und wird unterhalb der Bucht gesammelt. Der Kot wird mehrmals am Tag automatisch abgeschoben. In diesem Bereich befindet sich auch die Tränke, so dass ggf. vorbeilaufendes Wasser ebenfalls abfließen kann. Die Bucht bleibt so möglichst trocken.
„Das Band läuft sehr langsam, die Tiere gewöhnen sich schnell daran. Sie stehen dann einfach auf und verlassen das Förderband. Das ist zum Beispiel für Sauen nach der Geburt förderlich, sie müssen so öfter aufstehen und sich bewegen, was positiv für den Stoffwechsel ist,“ erklärt Schweine-Experte Aundrup.
Trennung von Kot und Harn im Stall
Durch die schnelle Trennung von Harn und Kot wird die Ammoniakbildung im Stall deutlich reduziert, sprich, die Emissionen sind geringer, was gut für Tiergesundheit und Umwelt ist. Laut Stefan Harpenau geht es um eine Größenordnung von etwa 50 Prozent Reduzierung gegenüber einem herkömm-lichen Stall. Für exakte Werte werden derzeit Messungen im „Havito“-Stall durchgeführt.
Für das Einstreuen der Ruhebereiche ist ein automatisches Strohverteilungssystem an der Stalldecke eingebaut. Über pneumatische Ventile können in jeder Bucht Stroh oder Hobelspäne eingestreut werden. Aber auch viele andere Beschäftigungsmaterialien können darüber verteilt werden. Rund um den Geburtstermin sind die Sauen in den Buchten einige Tage fixiert. Dann bekommen sie über die Förderanlage zusätzlich Stroh direkt neben ihrem Futtertrog ausdosiert und beschäftigen sich damit als Nestbau-Material. Das mindert die Unruhe der Tiere vor der Geburt.
„Wir halten nur Tiere mit Langschwanz, das funktioniert.“
Ansgar Aundrup
Wärmetauscher sorgt für gutes Klima
Um den Schweinen ein optimales Klima zu bieten, gibt es in bestimmten Buchtenbereichen eine Fußbodenheizung: „Im Stall gibt es Wärmetauscher, die das Wasser der Fußbodenheizung im Winter erwärmen, im Sommer aber auch kühlen können. Die notwendige Wärme dafür kommt aus der Stall-Abluft“, berichtet Betriebsleiter Harpenau.
Neben den guten Leistungen gibt es einen weiteren Beweis, dass das Stallkonzept rund ist: Es gibt keine Probleme mit Schwanzbeißen: „Im For-schungsstall werden keine Ferkelschwänze kupiert – das war von Anfang an Prämisse und es funktioniert“, so Harpenau.
Der „Havito“-Stall ist sehr großzügig mit Zuluftelementen ausgestattet, die Tageslicht durchlassen. Sie sind mit Lamellen versehen. Öffnet man diese, hat man einen Außenklimastall bzw. könnte für bestimmte Vermarktungsprogramme der Haltungsstufe 3 des Lebensmittelhandels produzieren.
Neue Futterkonzepte testen
Die Bröring Gruppe als Futtermittelhersteller erprobt im Forschungsstall innovative Futterkonzepte, etwa zur Weiterentwicklung der nährstoffreduzierten Fütterung. Angedacht ist zudem eine Zusammenarbeit mit verschiedenen wissenschaftlichen Einrichtungen aus den Bereichen Stalltechnik, Tiermedizin oder Haltungstechnik.
Wichtig war den Betreibern, dass es im Forschungsstall eine transparente Schweineproduktion gibt. In diesem Sinne ist ein erhöhter, sehr geräumiger Besucherraum eingebaut worden. Von dem aus sind beide Stallbereiche und die Futterküche durch Glasscheiben einsehbar: „Wir begrüßen hier schon regelmäßig interessierte Besuchergruppen aus der Landwirtschaft oder Kunden und führen angeregte Diskussionen um die Zukunftsfähigkeit der beiden Konzepte“, sagt Ansgar Aundrup. Künftig sollen hier auch andere Besuchergruppen empfangen werden. Öffentlichkeitsarbeit gehört zum Stallkonzept dazu.